Hamburger Staatsverträge mit Muslimen und Aleviten – ein Meilenstein der Integrationspolitik?

Aus Sicht der Regionalgruppe Hamburg der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs-HH) sind die Verträge, die der Hamburger Senat mit den islamischen Verbänden und der Alevitischen Gemeinde abschließen will, nicht nur völlig überflüssig, sondern sogar schädlich.

Am 13. November 2012 hat der Hamburger SPD-Senat mit den der islamischen Verbänden in Hamburg (DITIB, Schura, VIKZ) und der Alevitischen Gemeinde Deutschland Verträge geschlossen, in denen diesen Religionsgemeinschaften das Recht auf eigene Kultureinrichtungen, Moscheen, eigene Seelsorge und Bestattungen nach eigenem Ritus ausdrücklich zugesichert wird. Die höchsten islamischen und alevitischen Feiertage sollen den christlich-kirchlichen Feiertagen gleichgestellt werden, zugesagt wurde auch ein eigener Religionsunterricht in den Schulen. Bislang wird der Religionsunterricht auch für Muslime von evangelischen(!) Lehrern erteilt.

Alle in der Bürgerschaft vertretenen Parteien unterstützen die Verträge, lediglich die FDP hat ihre Zustimmung versagt und kritisiert, die Verträge widersprächen „grundsätzlich dem freiheitlichen Weltbild, das die größtmögliche Trennung zwischen Religion, bzw. Kirchen und Staat“ befürworte. Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz dagegen feierte die Vereinbarungen als einen „Meilenstein“ und bezog sich dabei lobend auf die Staatsverträge, die schon der Vorgänger-Senat aus CDU und GAL 2005 mit der Nordelbischen Kirche und dem katholischen Erzbistum Hamburg sowie 2007 mit der jüdischen Gemeinde abgeschlossen hatte.

Was aber ist von den Hamburger „Meilensteinen“ zu halten? Nützen solche Verträge zwischen Staat und Kirchen, bzw. Religionsgemeinschaften dem Bürger? Wir sind der Meinung: Sie sind überflüssig wie ein Kropf. Werden doch den Glaubensgemeinschaften die wichtigsten Rechte vom Grundgesetz längst ausdrücklich garantiert (Art. 4: Glaubensfreiheit, ungestörte Religionsausübung; Art. 7: Religionsunterricht; Art. 140 Schutz von Sonn- und Feiertagen, Anstalts-Seelsorge usw.) Wozu braucht also Hamburg noch Extra-Staatsverträge mit einzelnen Religionsgemeinschaften, die sie damit besonders hervorhebt und gegenüber den anderen privilegiert?

Immerhin haben in Hamburg über 100 verschiedene Glaubensgemeinschaften ihren Sitz. Auch sie dürfen sich aufs Grundgesetz berufen, wo es in Artikel 4 heißt: „Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich“. Auch sie könnten Extraverträge einfordern. Und was ist mit der Mehrheit der Hamburger Bürger (rund 60 Prozent sind konfessionsfrei), die weder Allah noch Jahwe noch Jesus anbeten! Dürfen doch auch sie sich auf das Grundrecht (Art. 4) berufen, eben nichts zu glauben. Trotzdem werden vor allem die beiden Großkirchen und jetzt auch die muslimischen Gemeinden mit besonderen Rechten ausgestattet. Ist das noch ein neutraler Staat, eine gerechte Regierung aller Bürger, wenn der Hamburger Senat beispielsweise einseitig den evangelischen Kirchentag im nächsten Jahr mit 7,5 Millionen Euro pampert?

Hat man im Senat vielleicht vergessen, dass im „weltoffenen“ Hamburg neben vielen freien Geistern auch Migranten Zuflucht gefunden haben, die als Anders- oder Nichtgläubige vor islamischen Despoten und Eiferern fliehen mussten? Wer die häufigen Querelen der Glaubensgemeinschaften untereinander, die blutigen Religionskriege in der Welt beobachtet, muss schon staunen: Schließt Hamburgs Regierung doch die Verträge „in der Überzeugung, dass Religion einen wertvollen Beitrag als Mittlerin zwischen unterschiedlichen Kulturen und Tradition zu leisten vermag“. Ja, man verpflichtet sich sogar, mit den Muslimen gemeinsam „das Wirken“ islamischer Bildungs- und Kultureinrichtungen „auch über die Mitgliedschaft der islamischen Religionsgemeinschaften hinaus verstärkt in das öffentliche Bewusstsein zu rücken“. Wie kann man das anders verstehen als: Der eigentlich zu weltanschaulicher Neutralität verpflichtete Staat hilft dem Islam, in der Öffentlichkeit zu missionieren?

Besonders sauer aufstoßen muss das vor allem den kritischen und ehemaligen Muslimen, die sich in Organisationen wie der „Kritischen Islamkonferenz“ zusammengeschlossen haben. Sie fürchten eine Politik, „die eine verbesserte Integration von Zuwanderern“ ausgerechnet durch die „Stärkung der ‚religiösen Identität‘“ zu erreichen sucht und dabei gerade die zum Teil rückschrittlichen und reaktionären islamischen Verbände anerkennt und bevorzugt. „Auf diese Weise werden Migranten regelrecht dazu gezwungen“, beklagen sie, „sich über das Merkmal ‚Religionszugehörigkeit‘ zu definieren, selbst wenn sie ihrer Herkunftsreligion eher gleichgültig oder sogar ablehnend gegenüber stehen“. Auf die Frage, was sie als demokratische Politikerin tun würde, antwortet die im deutschen Exil lebende und wegen Morddrohungen unter Personenschutz stehende iranische Islamkritikerin und Frauenrechtlerin Mina Ahadi: „Ich würde den Säkularismus fördern. Religiöse Organisationen zu verbieten wäre falsch, jedoch das politische System sowie der Unterricht an den Schulen sollten von Religionen verschont bleiben. Alle religiösen Organisationen sollten vom Staat kontrolliert und nicht finanziell unterstützt werden“.

Doch ganz im Gegensatz dazu will der Hamburger Senat sogar die Medienstaatsverträge dahingehend ändern, „dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten den islamischen Religionsgemeinschaften angemessene Sendezeiten zum Zwecke der Verkündigung und Seelsorge sowie für sonstige religiöse Sendungen gewähren“.

Schon jetzt ist vielen Bürgern das Moralgesäusel beim „Wort zum Sonntag“ nur deswegen kein Gräuel, weil es ganz pragmatisch als „Wort zum Bierholen“ genommen wird. Nun müssen sie darauf gefasst sein, dass ihnen demnächst öffentlich-rechtlich auch noch die Koransuren aus Funk und Fernsehen entgegen schallen. Denn nach den Verträgen sollen künftig auch in den Aufsichtsgremien (NDR-Rundfunkrat, ZDF-Fernsehrat, DLR-Hörfunkrat) und Medien-Ausschüssen die islamischen Verbände „angemessen vertreten“ sein.

Und noch ärger: Die Regierung verspricht sogar „darauf bedacht“ zu sein, „dass in allen Rundfunkprogrammen die sittlichen und religiösen Überzeugungen der Bevölkerung einschließlich der muslimischen Bevölkerung geachtet werden“. Heißt das, Hamburgs Bürger müssen zukünftig damit rechnen, dass islamkritische Beiträge verboten sind, in denen die Scharia abgelehnt oder heiße Eisen wie das Beschneiden von Kindern oder Steinigen angeblich unzüchtiger Ehefrauen angeprangert werden?

Warum überhaupt bestimmen besonders ausgewählte Religionsvertreter mit, was in unseren Medien gesendet werden darf? Wieso dürfen sie über öffentlich-rechtliche Anstalten ihre Botschaften verbreiten, wenn sie doch zur Verkündigung ihre eigenen Kirchen und Moscheen schon haben?

Gleiches Recht für alle! Sicher, für jede der über 100 Glaubensgemeinschaften in Hamburg eine Extrawurst: geht nicht. Deshalb sollte Hamburg auf solche Extraverträge tunlichst verzichten. Die aktuellen Vereinbarungen mit Muslimen und Aleviten sind kein Meilenstein. Wir haben ja unser Grundgesetz, das uns die Freiheit sichert zu glauben, an was wir wollen – oder eben auch an gar nichts.