Woran glaubt unsere neue Bundesregierung?

DEM DEUTSCHEN VOLKE Schwarz-Rot regiert mit Gott und Allah

Zu Beginn des neuen Jahres 2014 hat die Kirchen-Lobby allen Grund zu jubeln. Das schwarz-rote Kabinett bekennt sich durch die Bank als christlich, mit einem Ausrutscher: Die Integrations-Staatsministerin Aydan Özoğuz von der SPD ist bekennende Muslimin.

Die Vorstellung der neuen GroKo-Regierung nahm die Kölner Regionalgruppe der Giordano-Bruno-Stiftung zum Anlass, um die Frau-/Mannschaft einmal etwas satirisch verfremdet darzustellen (siehe Foto-Collage). Da drei der neuen Minister(innen) auf dem Foto fehlen, haben wir sie im Text ergänzt. Und siehe: Auch sie sind religiöse Bekenner.

Die Bonner Online-Postille „katholisch.de“ ist des Lobes voll: „Zum ersten Mal werden dem neuen Bundeskabinett keine konfessionslosen Minister angehören“. Und was die Verfasser der Botschaft besonders beseligt: „Alle Mitglieder geben öffentlich ihre Religion an – und mehrere sind in ihrer jeweiligen Konfession besonders engagiert.“ Missionieren im Amt – dem auf die Neutralität seiner Politiker vertrauenden Demokraten eher zuwider, erwärmt das Herz jedes katholischen Lobbyisten. Leicht unterkühlt muss man dann feststellen, dass „gegenüber fünf Katholiken“ die Protestanten „weiterhin mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und neun Ministern die Mehrheit“ haben, freut sich dann aber wieder, denn „bekennende Katholikinnen finden sich jedoch auch unterhalb der Ministerriege.“

Schon am 22. Oktober, noch vor der konstituierenden Sitzung des neuen Bundestages und lange vor der Minister(innen)-Vereidigung – die ganze Klientel übrigens geschlossen mit: „So wahr mir Gott helfe“ –, durfte „katholisch.de“ angetan berichten, zum Auftakt der neuen Legislaturperiode habe „die politische Spitze Deutschlands an einem ökumenischen Gottesdienst in Berlin teilgenommen“.

Erschienen zum Gottesdienst in der katholischen Sankt-Hedwigs-Kathedrale waren neben der Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und dem damaligen SPD-Fraktionschef und jetzigen Außenminister Frank-Walter Steinmeier der auch weiterhin wirkende Bundestagspräsident Norbert Lammert, der trotz seines der Neutralität verpflichteten Amtes gerne mal religiöse Bekenntnisse publiziert. Ganz frisch noch, erst 2013 erschienen im Adeo-Verlag: „Credo. Texte und Bilder zum Glaubensbekenntnis“, Herausgeber Norbert Lammert. Schon 2011 war ihm wichtig, vom Leipziger St. Benno-Verlag sein „Ich glaube an Gott. Die Grundgebete der Messe neu übersetzt“ verlegen zu lassen. So jedenfalls veröffentlicht auf Lammerts Website norbert-lammert.de, die immerhin das offizielle Emblem des deutschen Bundestages, der Bundesadler, ziert.

Politik und Religion, für Lammert geht das gut zusammen. Man erinnere sich: Gegen heftigen Protest aus der Bevölkerung hatte Lammert 2011 als Bundestagspräsident den Papst eingeladen, wohl das letzte europäische Oberhaupt, das nicht vom Volk gewählt ist. Was „seine Heiligkeit“ indes nicht hinderte, den gewählten Volksvertretern die Leviten in Sachen Demokratie zu lesen.

Als die ägyptische „Revolution“ noch auf gutem Wege schien, reiste Lammert eigens nach Kairo, um dort die Rebellierenden auf den richtigen laizistischen Weg zu bringen. Man habe auf ihn gehört, berichtete Lammert nach seiner Rückkunft, und „die Trennung zwischen der Politik und der Religion zu einem ganz zentralen Bestandteil der neuen ägyptischen Zivilgesellschaft machen wollen.“ Zu Hause indes scheint der Bundestagspräsident der Trennung von Politik und Religion eher abgeneigt zu sein.

Angetreten zur ökumenischen Andacht in Berlin waren übrigens außer Lammert auch Ursula von der Leyen, Thomas de Maiziere, Hermann Gröhe  (alle CDU), Peter Ramsauer (CSU), Sigmar Gabriel und Andrea Nahles (beide SPD) sowie Katrin Göring-Eckardt (Die Grünen) und Petra Pau (Die Linke). Der religiöse Odem macht heute offensichtlich vor keiner Partei mehr so richtig Halt.

Ach ja, die drei Religiösen, die auf unserer Foto-Collage noch fehlen:
Peter Altmaier (CDU), der sein Umweltministeramt abgeben musste zu Gunsten seines Führungsjobs im Kanzleramt, hatte schon früher auf allen möglichen Bistums-Websites etwa seine Meinung zum neuen katholischen Gesangbuch „Gotteslob“ verlauten lassen: „Mein Lieblingslied im neuen Gotteslob ist ‚Beim letzten Abendmahle‘ (282). Ich mag dieses Lied, weil in ihm die zentrale Botschaft des Christentums in einfachen und ansprechenden Worten dargestellt ist.“ Da bleibt keine Frage offen.

Der bislang eher weniger bekannte neue Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) ist, man ahnt es, Katholik.

Die neue Integrationsstaatsministerin Aydin Özoğuz (SPD), eine überzeugte Muslimin und übrigens Frau des hamburgischen Innensenators Michael Neumann (SPD), eines bekennenden Katholiken, ist für katholisch.de „die wohl größte religiöse Besonderheit“ im aktuellen Kabinett. Süffisant berichtet die Verfasserin, in der Familie der Ministerin gebe es „eine Art konfessionelle Bandbreite“, denn ihre Cousins spielten in der türkischen Punkrock-Band „Athena“, „während zwei Brüder das islamistische Internetportal ‚Muslim-Markt‘ betreiben.“

Das ist interessant, denn immerhin hatte Aydin Özoğuz noch im Mai 2013 auf dem Deutschen Humanistentag in Hamburg über die Pannen im NSU-Prozess berichtet. Doch auf der Website „Muslim-Markt“ liest man Erstaunliches. Da lobt der Bruder Yavuz Özoğuz (wenn er es denn ist) den iranischen Fundamentalisten-Prediger Chamenei: „Und welcher Vertreter von Gottes Tempel auf Erden ist derjenige Heilige unserer Zeit, dem die gesamte Welt der kapitalistischen Mördergruben am liebsten nach dem Leben trachten würde, wenn sie es nur könnten? Zweifelsohne ist es Imam Chamene’i – Gott schütze ihn!“

Ganz auf dem Weg zum Gottesstaat ist die deutsche Bundesrepublik wohl nicht. Aber der religiöse Eifer in der Regierung lässt aufhorchen. Steht er doch auffällig im Gegensatz zum wachsenden Säkularismus im Volke. Sollte diese Glaubenslücke ein Ausdruck der wachsenden Kluft sein zwischen Regierenden und Regierten?