Gerhard Czermak: Problemfall Religion

Buch: Problemfall Religion

Eine kluge Rezension zu Gerhard Czermaks „Problemfall Religion“ wurde im HPD bereits veröffentlicht. Doch sie verlangt eine Ergänzung. Gerhard Czermaks Kompendium wird dem „breit angelegten Anspruch“ (Pfahl-Traughber) mehr als gerecht und ist auch mehr als „eine gelungene Einführung und ein nützliches Nachschlagewerk“. Für die aufklärerische Arbeit, „vor Ort“ ist das Kompendium ein Schatz.

Wie viel Aufwand, Fleiß und Akribie stecken in dem Werk! Über 400 Seiten kompiliertes Wissen zum „Problemfall Religion“, mit über 400 hilfreichen Anmerkungen im akkurat erstellten Register. Zu jedem der fünf Hauptgebiete, Religion und Religionskritik; Christentum, Christentumskritik, Kirchenkritik; Kirchengeschichte allgemein; Einzelthemen des Christentums (Judenfeindschaft; Papsttum und Vatikan; Frau, Sexualität, Zölibat; Kirche und Diktaturen, Kirche und Krieg; Nationalsozialismus und Kirchen; Ustascha-Regime und katholische Kirche) und nichtchristliche Religionen liefert der Autor 21 Seiten Literaturangaben, die bei weitem nicht nur die Schriften der in der „Szene“ bekannten Autoren, sondern auch die Experten der „Gegenseite“ umfassen.

Ein Kompendium (im Lateinischen „Ersparnis“, „abgekürzter Weg“) ist nach Wikipedia ein kurzgefasstes Lehrbuch oder Nachschlagewerk, ein „exzessives Handbuch“. All diesen Ansprüchen genügt Czermaks gelehrsames und zugleich kompaktes Werk. Es ist schwer vorstellbar, dass ein Studierender der Religionsgeschichte, ja der Theologie, zukünftig darum herum kommen wird. Allein die angeführte Literatur bietet Stoff mehr als genug für vielsemestrige Fleißarbeit. Etwa für die frühe Kirchengeschichte hat es Czermak nicht versäumt Recherchen auch „im nützlichen, aber apologetischen Biographisch-Bibliographischen Kirchenlexikon (BBKL)“ vorzunehmen. Oder im Kapitel „Heiligenverehrung und Kirchenpolitik“ nimmt er sich vor allem die Heilig- und Seligsprechungen des 20. Und 21. Jahrhunderts vor, geht den heiligen Legenden auf den Grund, konfrontiert sie mit dem jeweils historisch belegbaren Hintergrund.

Überaus sachlich und klarsichtig setzt Czermak sich auch mit den wichtigsten nichtchristlichen Religionen auseinander, geht ausnehmend behutsam, gleichwohl kritisch mit der jüdischen Glaubensgeschichte um (wobei man auch die Arbeiten des israelischen Historikers Shlomo Sand noch hätte berücksichtigen können), lässt sich ein auf eine scharfe, aber sachliche Auseinandersetzung mit dem geschichtlichen und gegenwärtigen Islam, die er mit der Hoffnung beschließt, diese Religion möge sich aus der mittelalterlichen Verhaftung lösen. Den aktuellen religiösen Fundamentalismen, auch des Islamismus, widmet sich Czermak bereits im allgemeinen Teil („Allgemeine und übergreifende Themen“). Es ist auch positiv zu vermerken, dass der Autor sich sowohl mit dem bei uns zumeist recht wenig bekannten Hinduismus befasst, noch intensiver aber auch mit dem in der westlichen Welt so idealisierend adaptierten Buddhismus. Letzterem konzediert er, trotz der verschiedenen „problematischen Sonderentwicklungen“ immerhin „ungleich friedlicher als die anderen großen Religionen“ zu sein.

Etwas stiefmütterlich geht Czermak, der Jurist, in seinem Werk mit den Begriffen Laizität und Laizismus um. Dabei erfährt die Frage der Trennung von Staat und Religion in letzter Zeit zunehmend Bedeutung in unserem Land. Viele Zeitgenossen, denen die inhaltliche Religionskritik am Interessenhorizont eher vorbei geht, empfinden gleichwohl die einseitigen Eingriffe des Staates zugunsten der Kirchen und einzelner Religionsgesellschaften als ungerecht, sind sehr empfänglich für die Forderung nach der Trennung von „Thron und Altar“. Dieses Ungerechtigkeitsgefühl vermittelt sich bis in die politischen Parteien hinein (etwa bei den „laizistischen Sozis“), wo entsprechende Forderungen erhoben, sogar innerparteiliche Arbeitskreise dazu eingefordert werden. Das Thema „Trennung von Staat und Religion“ wird bei Czermak auf gerade mal auf vier Seiten im Zusammenhang mit der Frage der Religionsfreiheit abgehandelt, die Begriffe „Laizität“ und „Laizismus“ finden sich nicht im Register, dafür allerdings das Stichwort „Trennung von Staat und Religion“. Dass der promovierte Jurist das Thema in „Problemfall Religion“ so lakonisch abhandelt, ist indes kein echtes Manko, denn umfangreich und ausführlich wie kein anderer hat Czermak sich bereits 2008 des Themas in seinem bewundernswert profunden Standardwerk „Religions- und Weltanschauungsrecht“ (in Kooperation mit Prof. Dr. Hilgendorf, Verlag Springer, Heidelberg) angenommen.

Das gewichtige Kompendium „Problemfall Religion“ sollte in keiner Uni-Bibliothek, in keiner Stadtbücherei fehlen. Bei der Aufklärungsarbeit der säkularen und humanistischen „Szene“ wird es sicher unschätzbare Dienste leisten, dessen darf man sicher sein. Denn auch im 21. Jahrhundert ist das Thema Religion durchaus nicht obsolet geworden, sondern für die Ausbreitung und Sicherung eines modernen, freien und pluralistischen Rechtsstaats in der Praxis ein nach wie vor ungelöster „Problemfall“.

Gerhard Czermak: Problemfall Religion. Ein Kompendium der Religions- und Kirchenkritik. Tectum Verlag Marburg, 2014. € 24,95.
ISBN: 978-3-8288-3285-5