Wahl zur Hamburger Bürgerschaft 2015

Beschneidung Bundestag Es tut sich was in Hamburg.

Unauffällig zwar, aber aus Sicht der konfessions­freien Bevölkerungs­mehrheit recht erfreulich: Einige der Parteien, die am 15. Februar zur Hamburger Bürgerschaft kandidieren, haben in ihr Wahlprogramm wichtige Punkte mit aufgenommen, die sich an den grundgesetzlichen Forderungen nach staatlicher Neutralität gegenüber den Religionen orientieren und das Gleichstellungsgebot der Weltanschauungsgemeinschaften unterstützen.

Zur Thüringer Landtagswahl waren sich die Die Linke, SPD und Grüne noch einig: „Auf der Grundlage der Subsidiarität werden wir die Kirchen und Religionsgemeinschaften weiter nachhaltig unterstützen, den Dialog fortsetzen und die guten Beziehungen weiter ausbauen“, heißt es in ihrem Koalitionsvertrag. Die Forderung aus dem Grundgesetz nach Gleichbehandlung aller Religionen und Anschauungen (Art. 3 GG: „Niemand darf wegen … seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden“) schien die Koalitionäre dabei nicht weiter zu kümmern. Und das, obwohl nur noch ein Drittel der Thüringer Bevölkerung den Kirchen zugetan sind.

In kühlen Norden dagegen besann sich die Linke, die in Thüringen den sich christlich bekennenden Ministerpräsidenten stellt, eines Besseren. In ihr Wahlprogramm zur Bürgerschaftswahl „Für eine Politikwende – Hamburg für die Menschen und nicht für den Profit“ nahmen die Genossen eigens den Programmpunkt mit auf: „Für die Verwirklichung des säkularen Staats“. Respekt, liebe Hamburger Linke! Ihr zeigt Courage!

Deutlich verweisen die Autoren des Programms auf das im Grundgesetz verbriefte Recht, „keiner Religion anzuhängen und in keiner Weise an religiösen Handlungen teilnehmen zu müssen“, heben zu Recht die Trennung von Kirche und Staat als „Errungenschaft“ hervor, „weil Religion Privatangelegenheit ist,“ und betonen „Insbesondere darf keine Religion bevorzugt werden.“ Das sehen wir auch so.

Und weiter fordert die Linke im Hamburger Programm, der Religionsunterricht solle abgeschafft, die konfessionell gebundenen theologischen Institute an den Hochschulen sollten durch Institute für überkonfessionelle Religionswissenschaften ersetzt werden. Wie auch die GBS verurteilt die Linke in Hamburg die „religiöse Diskriminierung“ in Kirchenbetrieben und die „Entlassungen wegen Nonkonformität zum Moralkodex kirchlicher Einrichtungen (z. B. Wiederverheiratete, Homosexuelle)“. Sie ist auch für das Streikrecht und die Gründung von Betriebs-, bzw. Personalräten in Kirchenbetrieben und mahnt an, auch die „Kirchenaustrittsgebühr“ (aktuell 31 Euro) gehöre abgeschafft. – Jawohl! Dafür sind auch wir ganz entschieden! – Und zum Schluss heißt es im Programm sehr konsequent: „Es ist ein zielgerichteter Ausstieg aus den Staatsverträgen mit den Religionsgemeinschaften (die GBS Hamburg informierte schon häufig darüber, d. Red.) anzustreben.“

All diese Punkte im Programm der Hamburger Linken können wir von der GBS uneingeschränkt unterstützen. Der hanseatische Kurs passt in eine moderne pluralistische Gesellschaft, die mehrheitlich säkular, weltlich ausgerichtet ist. Die Thüringer Genossen dagegen haben sich, obwohl ihre Wähler zum allergrößten Teil konfessionsfrei sind, für das Gestern entschieden und klammern sich opportunistisch an die verstaubten Rockschöße der Großkirchen.

Noch konsequenter sind im Hamburger Wahlkampf nur die Vertreter der Piratenpartei. Schon im vergangenen Bundeswahlkampf waren sie entschieden für einen laizitären und weltanschaulich neutralen Staat eingetreten. In ihrem Wahlprogramm formulieren sie mit klaren Worten, was die säkulare Bewegung seit Jahren fordert:

  • Trennung von Staat und Religion
  • Gegen religiöse Diskriminierung am Arbeitsplatz
  • Keine Finanzierungen und Subventionen bevorzugt für Glaubensgemeinschaften und kirchliche Einrichtungen
  • Gleichbehandlung von Kirchen und Weltanschauungsgemeinschaften
  • Keine Staatskirchenverträge mit Religionsgemeinschaften
  • Keine staatliche Finanzierung von Missionierung und Seelsorge
  • Keine stillen Feiertage, kein Tanzverbot
  • Lockerung des Friedhofszwangs
  • Integrativer Ethikunterricht statt Religionsunterricht
  • Abschaffung der theologischen Lehrstühle an den Unis
  • Abschaffung der Kirchensteuer sowie der Kirchenaustrittsgebühr

Aus unserer Sicht lohnt es sich, das Programm der Piratenpartei besonders in Hinblick auf das Verhältnis zu Staat und Kirche eingehender zu studieren. Denn außer Piraten und Linken schert sich – nach den Wahlprogrammen zu urteilen – keine der anderen Parteien um die gerechten Forderungen der konfessionsfreien und säkularen Mehrheit in Hamburg. Stattdessen hofiert man gerne die Großkirchen, neuerdings auch die konservativen islamischen Verbände, die angeblich die Hamburger Muslime vertreten.

Im Wahlkampf wird gerne von der multikulturellen und pluralistischen Gesellschaft an Alster und Elbe gefaselt, der man mit dem „interreligiösen Dialog“ gerecht werden müsse. Den Konfessionsfreien geht man möglichst aus dem Weg. Doch wer sich ernsthaft um deren Anliegen bemüht, erkennt leicht wie gerecht und billig sie sind. Wir sind sicher, wer sich, gleich welcher Partei, kritisch und ehrlich mit diesen Forderungen auseinander setzt, kann nur zu dem Schluss kommen: Unser demokratisches Grundgesetz und die Anforderungen der modernen Mehrheitsgesellschaft gebieten, dass sie endlich umgesetzt werden.

Die Giordano-Bruno-Stiftung Hamburg hat sich in einer aktuellen Umfrage zur Bürgerschaftswahl 2015 die Mühe gemacht, alle 887 Wahlkandidaten anzuschreiben, und hat ihnen sieben entsprechende Fragen vorgelegt. Die Ergebnisse werden wir in Kürze veröffentlichen. Wir sind sehr gespannt, ob es nicht auch in den anderen Parteien Vertreter gibt, die sich aller Parteiräson und Wahlkampftaktik zum Trotz, gegen Kirchenkumpanei und Religionsgekungel gerade machen. Kirchenstaat war gestern (siehe GG Art. 137)! Kalifat bitte nicht in Hamburg!