Caritas gegen Bundestarifvertrag in der Altenpflege!
Ein Betroffener berichtet

Caritas blockt Bundestarifvertrag:
Schlecht für die Menschen in den Alten- und Pflegeinrichtungen.
Ein Betroffener hat auf unseren früheren Beitrag reagiert und berichtet aus seiner Praxis.

Pflegekräfte müssen leidensfähig sein. Diese Erkenntnis hatte ich schon früh in der Ausbildung, als eine Kollegin im Krankenhaus sich eine Infusion mit Kochsalz selbst legen musste, weil sie „sich nicht fühlte”. Und anstatt sich krank zu melden, blieb sie im Dienst, weil nicht genug Personal zur Verfügung stand. In dem Moment bewunderte ich ihr Pflichtgefühl. Aber das war nur ein Zeichen für die Dinge, die da noch kommen sollten.


Nach meiner Ausbildung bei einem ambulanten Pflegedienst ging es nahtlos weiter: Es gab nicht einmal genug Geld für Dienstwagen, was hieß, dass man die Tour entweder zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurücklegen musste.

Als meine Tochter mitten in der Nacht geboren wurde, war ich anwesend im Kreißsaal und konnte kurz bei meiner Frau und unserer neugeborenen Tochter bleiben, bis ich direkt daran anschließend mit dem Frühdienst begann. Es war einfach nicht genug Personal da um mich zu vertreten.

Die Dienste waren grundsätzlich vormittags und anschließend nachmittags, so dass man im Grunde den ganzen Tag, von 6 Uhr morgens bis 22 Uhr abends, nur für die Arbeit da war. Dazu kam noch, dass in der „freien Zeit” noch Rufbereitschaft anstand, man Telefonnotdienst hatte, häufig sogar an den freien Wochenenden. Zeit zum Luftholen war selten.
Die Elternzeit teilte ich mit meiner Frau. Aber letztendlich konnte ich diese nicht einmal richtig ausschöpfen, immer wieder rief man mich von der Arbeit aus an und fragte, ob ich nicht nebenbei noch arbeiten könnte.
Pflichtbewusst willigte ich ein. Aber ich werde nie vergessen, wie unsere damalige Pflegedienstleitung vor meinen Augen in Tränen ausbrach vor Erschöpfung und Erleichterung.
In den Krankenhäusern ist die Lage nicht viel besser. Auch dort sind die Stationen meist unterbesetzt und man versucht, einigermaßen mit der knappen Zeit und der Menge an Arbeit klarzukommen. Durch Zeitarbeitsverträge gewann ich Einblick in mehreren Krankenhäuser. Und überall hörte man das Gleiche: Das Personal war immer knapp, Urlaube mussten abgesagt werden.
Bei einem Einsatz wusch ich ununterbrochen von 6:30 Uhr bis 13:00 Uhr nur Patienten. Mit nur einer weiteren Kollegin versorgten wir eine ganze Station alleine.
Nach meiner Auffassung laufen wir geradewegs in einen ordentlichen Pflegenotstand hinein, der keine Aussicht bietet, besser zu werden. Mittlerweile ist der Pflegeberuf dermaßen schlecht bezahlt und die allgemeinen Arbeitsbedingungen sind so miserabel, dass nur noch wenige diesen Beruf anstreben. Was wiederum das Dilemma nur vergrößert.
Hier kann nur beispielhaft ein knapper Überblick gegeben werden, was Pflegekräfte tagtäglich zu ertragen haben. Vieles von dem, was ich in meiner beruflichen Zeit erlebt habe, habe ich nicht erwähnt. Zeichen, die zeigen, wie schlecht es um den Beruf steht, sind vielfältig. Es würde den Rahmen sprengen, hier alles aufzuzählen, so liefern die oben erwähnten Beispiele auch nur einen Auszug.
Was die Corona-Pandemie brachte, war wenigstens ein kurzes Aufhorchen der Gesellschaft, ein Beachten der harten Arbeit der Pflegekräfte. Es tat gut, wenn applaudiert wurde. Aber umso mehr tat es weh, als dieser Applaus bald wieder endete. Der Corona-Bonus war eine nette Geste, aber anscheinend bleibt es wohl dabei.
So ist es kein Wunder, dass Pflegekräfte den Beruf hinschmeißen. Laut einem Artikel der Zeitschrift „Die Zeit“ vom 1. April haben in Deutschland bereits Tausende an Pflegekräften den Beruf verlassen. Enttäuscht von der Politik und tief desillusioniert.
So macht es nur umso wütender, wenn ein Tarifvertrag, der eben diese Probleme durch bessere Bezahlung und ein attraktiveres Berufsbild verbessern soll, Ende Februar von der Caritas geblockt wird. Immerhin sollten für Schüler und examinierte Pflegekräfte die Mindeststundengehälter erhöht werden. Die christliche Caritas hat dies verhindert. Ein Schlag ins Gesicht für alle Angestellten in der Pflege. Offenbar endet christliche Nächstenliebe, wenn es ums Geld geht.
Das ist nichts Neues, die Caritas stellte sich sogar dagegen, ihren eigenen Mitarbeitern den Corona-Bonus von 1500 Euro auszuzahlen. Stattdessen wurden sie mit 300 bis 600 Euro ruhiggestellt.
Die Kirche steht schon lange in der Kritik, was die Rechte der Mitarbeiter betrifft. Es ist absolut unverständlich, warum sie im Arbeitsrecht für sich auf ihren Sonderrechten besteht, ein Zustand, der schon lange aufgehoben sein sollte.
Was bleibt, ist die Hoffnung auf Besserung und der Idealismus der Beschäftigten in der Pflege. Der einzige Grund, warum viele noch in der Pflege bleiben.
Pflegekräfte müssen leidensfähig sein und dank der Caritas, werden sie dies wohl noch länger sein müssen.