Klein, aber fein:

Unser Gesprächskreis „Hamburg weltlich“

Auf unsere Einladung hin trafen sich am 11. Juli abends bei schönem Wetter draußen – zugegeben, im kleinen Kreis – die Gäste zum munteren Austausch. Das Thema: Die „offene Gesellschaft“ – was soll das sein?

Das Thema hat’s echt in sich. Und am besten versteht man nun mal die Hintergründe dazu, wenn man wirklich Poppers epochales Werk „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“ gelesen hat. Zugegeben, das Werk, in dem sich der Autor am Beispiel von Platons elitärer Philosophie von vor 2000 Jahren, mit dem Faschismus und dem NS-Regime einerseits sowie dem Stalinismus und Kommunismus andererseits auseinandersetzt, ist und bleibt eine Herausforderung. Nicht jede und jeder will oder kann die Zeit dafür opfern, verständlich. Aber um zu wissen, worum es im Kern geht, findet man auch ein paar Hilfestellungen im Internet.

Wer gründelt, wird sicher noch mit anderen, vielleicht sogar besseren Quellen fündig. Aber ganz und gar nicht vorbei kommt man auf der Suche nach den Prinzipien einer offenen Gesellschaft an dem klugen Buch von Michael Schmidt-Salomon „Die Grenzen der Toleranz. Warum wir die offene Gesellschaft verteidigen müssen“ (2016). Wer’s ums Verrecken nicht schafft, alle 215 Seiten zu lesen, sollte sich wenigstens ab Seite 113 die geraffte und knackige Definition der OG zu Gemüte führen. Sehr empfehlenswert!

Und zum Schluss muss hier auf jeden Fall noch hingewiesen werden, was Michael Schmidt-Salomon unter „Abschreckung durch Freiheit“ (im Buch S. 177) versteht. Einfach bravourös! Man stelle sich vor, die aktuelle politische Debatte, man solle Asylbewerber nach Ruanda abschieben (absoluter Bullshit!), werde verdientermaßen beerdigt und man befasste sich mit den folgenden „Freiheitsandrohungen der offenen Gesellschaft“. Überall vor Ort in den Flüchtlingsherkunftsländern würde bekannt gemacht: „Wenn Du zu uns nach Europa, nach Deutschland, kommen willst, solltest Du wissen…“

  • Dies ist das Land, in dem Ihre Kinder nicht automatisch Juden, Christen, Muslime sind, bloß weil Sie einer dieser Religionen zugehören!
  • Dies ist das Land, in dem Sie nicht das Recht haben, an den Genitalien Ihrer Kinder herumzuschneiden, weil Sie sich einem archaischen Initiationsritual verpflichtet fühlen!
  • Dies ist das Land, in dem Sie glauben dürfen, was immer Sie wollen, im dem wir Ihren Kindern aber von der Pike auf beibringen werden, dass nur solche Weltanschauungen akzeptabel sind, die die Menschenrechte in vollem Umfang anerkennen!
  • Dies ist das Land, in dem Sie behaupten dürfen, die Erde sei erst vor 6000 Jahren erschaffen worden, in dem Ihre Kinder aber schon in der Grundschule die Tatsache der Evolution erfahren, damit sie nicht den gleichen Irrtümern aufsitzen!
  • Dies ist das Land, in dem auch Kinder Rechte haben, die Sie nicht übergehen dürfen, in dem Sie es hinnehmen müssen, dass Männer und Frauen, Religiöse und Nichtreligiöse, Hetero-, Homo- und Transsexuelle gleichberechtigt sind, auch wenn Sie an Ihrer emotionalen und kognitiven Entwicklung womöglich so sehr geschädigt wurden, dass Sie diesen einfachen ethischen Gleichheitsgrundsatz nicht nachvollziehen können!
  • Dies ist nicht zuletzt auch das Land, in dem Sie Ihre eigenen Sexualneurosen pflegen dürfen, solange Sie damit niemanden schädigen, in dem Ihre Kinder aber rechtzeitig aufgeklärt werden, damit sie die Chance haben, ein freies, selbstbestimmtes Leben führen zu können!“

Alles klar?

Tom Brandenburg